Perspektivwechsel.


Ich liebe mein Leben hier auf einer griechischen Insel.

Ich liebe es, dass das Meer direkt vor meiner Haustür ist und ich den Wind und die Wellen genießen kann.

Ich liebe es den kleinen Fischerbooten im Hafen zuzuschauen.

Ich liebe es im Café bei mir um die Ecke einen Freddo Cappuccino zu trinken, auch wenn ich ihn ganz ungriechisch ohne Zucker trinke.

Ich liebe es die Schönheit der Insel zu erkunden und darüber zu staunen, wie vielfältig sie ist.

Ich liebe es an Olivenhainen, Feigenbäumen und Palmen entlangzulaufen.

Ich liebe die griechische Entspanntheit und Lässigkeit und habe das Gefühl, dass ich hier mit meiner leicht verpeilten und nicht ganz so strukturierten Art ganz gut hineinpasse. 

 

Und dennoch ist das nicht der Grund, warum ich hierher gekommen bin. Nicht wegen des sonnigen Wetters, des guten Essens oder des Meeres.

 

Manchmal zerreißt mein Herz über diesem großen Kontrast.

Auf der einen Seite die Schönheit von Lesbos, die verschiedenste Besucher und Touristen anlockt,

auf der anderen Seite tausende hier gestrandete Flüchtlinge, die am liebsten so schnell wie möglich von der Insel weg möchten.

 

Und doch merke ich, wie Gott mir das Herz öffnet, meinen Tellerrand erweitert, meinen Blick in eine andere Richtung lenkt.

Es ist so leicht, Dinge schwarz und weiß zu sehen, sie in gut und böse einzuteilen. Was ich lange Zeit gemacht habe. Für mich waren die Griechen die Bösen, die die armen Flüchtlinge nicht haben wollen. Die ihre Mitmenschlichkeit ihnen gegenüber verloren haben. Die sie wie Menschen zweite Klasse behandeln. Und sie mit allen Mitteln versuchen von der Insel zu vertreiben.

Mein Herz war oft so voller Wut, voller Unverständnis. Doch Gott beruft uns unsere Feinde zu lieben, genauso wie unsere Nachbarn. Und auch wenn es sich manchmal so anfühlt, als wären meine Nachbarn meine Feinde hier, so bin ich dennoch dazu berufen sie zu lieben.

Die Griechen, die mich anstarren, die mir das Gefühl geben nicht willkommen zu sein, weil ich eine Ausländerin bin, die auch noch den illegalen Migranten hilft. 

Die Rechtsextremen, die Autos von NGOs zertrümmern und ihre Insassen versuchen herauszuziehen, was ich am eigenen Leibe erfahren musste.

Die Polizisten, die uns als Freiwillige ungerecht behandeln, wenn sie uns beispielsweise Strafzettel verpassen, aber bei dem Griechen direkt daneben ein Auge zudrücken.

Die Küstenwache, die Flüchtlingsboote unrechtmäßig zurückdrängt, Motoren beschädigt und die Menschen in Seenot mit Absicht nicht rettet, sondern sie zurück in türkische Gewässer drängen.

Die Politiker, die um die katastrophalen Zustände in den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln wissen, aber mit Absicht nichts unternehmen, damit sie als Abschreckung dienen, damit die nächsten sich erst gar nicht auf den Weg machen.  

 

All das macht mich unendlich wütend und dennoch beruft mich Gott diese Menschen zu lieben, ihnen zu vergeben, so wie Gott ihnen vergibt. 

Und mich in ihre Lage zu versetzen und nicht einfach nur über sie zu urteilen. Zu verstehen, dass sie unter der Flüchtlingskrise genauso zu leiden haben. Wie sie auch schon seit so vielen Jahren erleben, dass sich nichts ändert, wie nur immer mehr Menschen kommen und das ebenso für sie allgegenwärtige Camp nur immer größer wird.

Wie ihre Heimat nun nicht mehr für schöne Strände, Ouzo und tausende Olivenbäume bekannt ist. Sondern vielmehr kleine Schlauchboote, eine Müllhalde voller Schwimmwesten und ein überfülltes Flüchtlingslager mit Lesbos verbunden werden.

Wie so viele Menschen auf ihre Insel kommen um zu helfen, sich jedoch nicht für die eigentlichen Inselbewohner interessieren. 

 

Ich fange an zu verstehen, wie sie sich fühlen. Ich merke, wie sich meine Einstellung ihnen gegenüber ändert. Ich ihre Seite der Geschichte kennenlernen möchte und wie Gott hinter all dem steckt.

 

 

Manchmal da überfordert es mich, was Gott mir hier alles zeigen und beibringen möchte.

Denn dabei mache ich so viele Fehler, verliere ihn immer wieder aus den Augen.

Verhederre mich in meinen eigenen Gedanken, bin der Überzeugung, meine Ansichten wären die richtigen.

Und verfalle dabei zum Teil in Gleichgültigkeit.

 

Doch dabei nimmt mich Gott immer wieder an die Hand und beruft mich zum Perspektiv- und Blickwechsel.

Dazu die Dinge mit seinen Augen zu sehen.

 

Fokus auf IHN.

Der alle Menschen gleich sieht, kennt und liebt, keinen bevorzugt, keinen benachteiligt. 


»Lasst uns mit Ausdauer laufen, den vor uns liegenden Lauf,

indem wir hinschauen auf Jesus, den Anfänger und Vollender unseres Glaubens«

Hebräer 12, 1-2